Bischof Ulrich von Augsburg

„Heilige wollen uns zu Christus hinführen, sie sind Transparente Christi. Sie sind Illustrationen zum Evangelium und der beste, einzig gültige Kommentar dazu.“ Mit diesen Worten hat Walter Nigg eine besonders hilfreiche Lesebrille bereit gelegt, mit der die Heiligenlegenden nicht in der Vergangenheit ruhen bleiben, sondern einen immer wieder aktuellen Bezug zu unserem Leben und Glauben erreichen. Im Heiligen Ulrich begegnet uns eine große Gestalt gelebten Glaubens. Schon zu seinen Lebzeiten war er eine „Legende“ und ist mehr als 1000 Jahre nach seinem Tod ein ganz lebendiger Heiliger geblieben.

Von seinem Leben und Wirken wissen wir erfreulich viel. Ganz nah dran an seiner Person sind wir durch die „Vita Sancti Uodalrici episcopi Augustani“:
„Gar vielen ist die Kunde von den Wundern, die Christus durch seinen Diener, den heiligen Ulrich, zu Ehren seiner heiligsten Mutter Maria geschehen ließ, oft genug zu Ohren gekommen.“

Mit diesen Worten leitet ihr Verfasser, die Lebensbeschreibung des Bischofs ein. Gerhard war Ulrichs letzter Kaplan und zuletzt Propst der Augsburger Domkirche.

Ulrich war über das kirchliche Leben hinaus ein einflussreicher und tatkräftiger Reichsbischof. Auch daher finden sich viele historische Zeugnisse. Die Quellenlage ist also sehr gut.

Die frühen Jahre

Der Name Ulrich setzt sich zusammen aus uodal (alt) und rich (reich) und lässt sich so wiedergeben: reich an väterlichem Erbe.

In der Tat zählten seine Eltern, der alemannische Gaugraf Hupald und Ditpirch zu den vornehmsten Adelsfamilie Oberschwabens. Ihr Stammsitz ist Wittislingen. Ob Ulrich dort oder nicht doch wahrscheinlicher in Augsburg das Licht der Welt erblickt hat, ist ungewiss. Jedenfalls schreiben wir das Jahr 890.

Wie bei vielen Heiligen ist aus der Kindheit und Jugend Ulrichs wenig bekannt. Umso größer ist die Versuchung, gerade diese Lücke wundersam zu schließen. Nicht so bei Ulrich. Auch dies ist ein Hinweis über die Verlässlichkeit seiner Lebensbeschreibung. Immerhin erfahren wir, dass der kleine Ulrich anfänglich nicht gedeihen wollte und kränklich war. Auf den Rat eines durchreisenden Geistlichen wurde das Kind entwöhnt und seine Ernährung umgestellt. Daraufhin entwickelte sich das Kind prächtig. Wenn man so will, ein Fingerzeug Gottes, der auf das kraftvolle Wirken Ulrichs offenbar nicht verzichten wollte. Hatte der fremde Geistliche dem Kind doch zugleich eine große Zukunft prophezeit.

Wegen seiner auffallenden Begabung vertrauten seine Eltern den Zehnjährigen zur Ausbildung den Benediktiner von St. Gallen an, dem damalig bedeutendsten Bildungszentrum im alemannischen Raum. Eine kirchliche Karriere war damit anvisiert. Sie würde auch seiner Familie zu Gute kommen.

Was aus ihm werden sollte, wird in den prophetischen Worten der Reklusin Wiberat ablesbar. Nach dreitägigem Gebet sagt sie voraus, dass Ulrich von Gott zum Regieren bestimmt sei und keinesfalls geistlicher Leiter des Klosters werde. Ob Ulrich sich damals viel eher als Mönch gesehen hat? Wiberat prophezeit ihm einen Bischofssitz verbunden mit schwerer Mühsal verursacht von Heiden und schlechten Christen. Mit 18 Jahren kehrt der geistlich und geistig bestens ausgebildete Ulrich aber erst einmal zu seiner Familie zurück und wird unter dem einflussreichen Bischof Adalbero Kämmerer. Sein Biograph Gerhard erwähnt auch warum: „wegen des Adels seiner Eltern, wegen seiner vortrefflichen Anlagen und seines angenehmen Äußeren.“

Adalberos Nachfolger wird Hiltine. Er ist ganz in Ausnahme der gängigen Praxis nicht von adeliger Herkunft. Ulrich, der von Hochadel war, zieht es vor, sich nun, nach dem Tod seines Vaters,um seine Mutter und die Familiengüter zu kümmern.

Der Bischof

Zur Zeit Ulrichs durchdrang der Glaube alle Bereiche. Es gab keine Trennung von Reich und Kirche, Politik und Reichsordnung. Dadurch hatten auch politische Interessen Einfluss auf die Welt des Glaubens. Ein Reichsbischof war selbstverständlich eingebunden in die politische Ordnung des Reiches.

Zwar gab es die kanonische Wahlordnung durch Klerus und Volk, aber schon längst war die Bischofserhebung zu einem herrscherlichen Reservatsrecht geworden. So wurde Ulrich von seinem Verwandten, dem Schwabenherzog Burchard, König Heinrich I vorgestellt. Durch die Handfaltung in die umgreifenden Hände des Lehensherrn kommt die Lehensgeste des Reichsbischofs dem König gegenüber zum Ausdruck. So auch bei Ulrich, dem neuen Bischof von Augsburg. Gerade 33 Jahre alt.

Die Anfangsjahre als Bischof

Die reichskirchliche Ordnung war noch keineswegs gefestigt. Aber es existierten bereits Pfarrsprengel, Dekanate und in den Klöstern fanden sich lebendige Bildungszentren. Freilich stand noch weithin kein geordneter Klerus zur Verfügung. Überfälle der Ungarn und die Säkularisationen warfen die kirchliche Entwicklung immer wieder zurück.

Das Thema Aufbau durchzieht das Wirken Ulrichs und immer wieder legt er selbst mit Hand an. Seine Persönlichkeit stand für Bedachtsamkeit und Beständigkeit. Ulrich kümmert sich bereits in den ersten Jahren um den Wiederaufbau der Stadt, darunter auch um den niedergebrannten Dom und zahlreiche Klöster. Von weitreichender Bedeutung ist sein Entschluss, die hölzernen Brustwehren der Stadt durch Steinmauern ersetzen.

Aber auch die innere Mission einer noch in Teilen heidnisch geprägten Bevölkerung und die Heranbildung eines guten Klerus waren Ulrich ein großes Anliegen. Zu diesem Zweck baute er die Domschule aus. Für Arme und Kranke gründete er ein Armenhospiz.

Die Beobachtung der kirchlichen Disziplin erfolgte durch Diözesansynoden und häufige Visitationen.
Allein dadurch bedingt war Ulrich sehr viel unterwegs. Seine zahlreichen Pastoralreisen unternahm er auf anstrengende Weise zunächst zu Pferd, im Alter auf einem Ochsenkarren. Begleitet wurde er von Geistlichen, damit er unterwegs würdig den Gottesdienst feiern und die Psalmen beten konnte.

Kein Weg war ihm zu weit. Als einmal arme Bergbauern ihm ihr Leid klagten, dass ihre Väter ein Kirchlein errichtet hätten, aber bislang kein Bischof bereit gewesen wäre, es zu weihen, war Ulrich schon tags darauf in der Kirche, um sie zu weihen. Ein Gastgeschenk lehnte dankend er ab.

Seine Persönlichkeit war überaus glaubwürdig. Was er von anderen forderte, verlangte er zuvor sich selbst ab. Sein Biograph beschreibt ihn als vorbildlich: bescheiden in der Lebensführung, gastfreundlich vor allem gegenüber den Armen, gewissenhaft in der Amtsführung und der Feier der Liturgie.

Geprägt vom benediktinischen Grundsatz des „Ora et labora“ gingen Gebet und Arbeit, Gottesdienst und Dienst am Nächsten Hand in Hand. Täglich feierte Ulrich die Heilige Messe, wenn es die Zeit erlaubte bis zu dreimal am Tag und nahm am Chorgebet der Domkanoniker teil.

Als Bischof schlief er auf einer Strohmatte, von der er sich nachts aber erhob, um zu beten. Auf bloßer Haut trug er ein raues Untergewand zum Zeichen der Buße.

Sehr verbunden war er mit den Klöstern. Er besuchte sie regelmäßig, versuchte soweit möglich ihre Eigenständigkeit zu sichern. Allerdings geht nur eine Gründung auf ihn selbst zurück, das Kanonissenstift außerhalb der Stadtmauern.

Ulrich war zeitlebens ein großer Verehrer der Heiligen. Viermal reiste er nach Rom, Zeichen seiner großen Verehrung der Apostel Petrus und Paulus.

Ulrich war als Christ seiner Zeit sehr bemüht um die Vermehrung des Reliquienschatzes. Der Fürbitte der Heiligen traute man viel zu. Heiltümer wurden hoch verehrt. Den Reliquienschatz mehrte Ulrich nach Kräften. So gelang es ihm auch Reliquien des Heiligen Mauritius nach Augsburg zu bringen, die er eigens in Agaunum, dem heutigen Saint Maurice, abholte. Bischof Ulrich war dem Kloster Ottobeuren sehr verbunden; so überbrachte er um das Jahr 960 dem Kloster Ottobeuren aus dem Chorherrenstift Bischofszell Reliquien des Märtyrers Theodor, der seit dieser Zeit als zweiter Patron des Klosters verehrt wird.